Michael Wie­singer, unter Ihnen und Armin Reu­ters­hahn hat der Club von neun Spielen nur eines gegen den deut­schen Meister ver­loren. Nach zuletzt zwei Siegen in Folge ist nun Län­der­spiel­pause. Sind Sie froh über eine kleine Ver­schnauf­pause oder befürchten Sie, dass Ihre Mann­schaft aus dem Rhythmus kommt?
Wir hätten gerne am Wochen­ende gespielt. So kehren unsere Natio­nal­spieler spä­tes­tens erst am Don­nerstag zurück und es bleiben uns nur drei Tage Vor­be­rei­tungs­zeit auf das Spiel gegen Wolfs­burg. Grund­sätz­lich ist es aber auch positiv mit diesen Erfol­g­er­leb­nissen in eine Län­der­spiel­pause zu gehen, denn das wirkt sich dem­entspre­chend auf die Stim­mung in der Mann­schaft und das Trai­nings­klima aus.

Wie gehen Sie als Trainer zwei Trai­nings­wo­chen an, in denen Ihnen allein elf A- und fünf Jun­gen­d­na­tio­nal­spieler fehlen?
Auch in dieser Zeit können wir einige Dinge umsetzen. Wir wollen mit den ver­blie­benen Spie­lern vor allem indi­vi­duell arbeiten. Es ist aber auch eine Mög­lich­keit sich einmal Jungs aus der U‑23 oder U‑19 genauer anzu­schauen und sie ken­nen­zu­lernen. Eine Län­der­spiel­pause hat also auch ihre posi­tive Seiten.

Viele Trainer nutzen diese Aus­zeit, um ins­be­son­dere mit Ersatz­spie­lern Ein­zel­ge­spräche zu führen. Folgen Sie dieser Tra­di­tion?
Es ist natür­lich ein­fa­cher sich gezielt mit dem Ein­zelnen zu befassen, wenn man nur eine kleine Trai­nings­gruppe um sich hat. Ich mache aber keinen großen Unter­schied zum nor­malen Bun­des­lig­aalltag. Wir reden immer viel, ob in Ein­zel­ge­sprä­chen oder in der Gruppe.

Kom­mu­ni­ka­tion gilt heut­zu­tage als ent­schei­dendes Erfolgs­kri­te­rium für die Arbeit eines Trai­ners. Wel­chen Stel­len­wert messen Sie dieser Arbeit abseits des Rasens bei?
Kom­mu­ni­ka­tion ist für mich sehr wichtig. Ich muss als Trainer wissen, was in meinen Spie­lern vor­geht. Oft unter­scheiden sich die Wahr­neh­mung von Trainer und Spieler. Dann ist es für uns als Trai­ner­team die Auf­gabe, mit dem Spieler zu einem Kon­sens zu kommen. Das geschieht, in dem wir gemein­same Ziel­vor­gaben ent­wi­ckeln.

Wie kom­mu­ni­zieren Sie zum Bei­spiel mit Ihrem Japaner Hiroshi Kiyo­take?
Wir haben einen Dol­met­scher, der uns per­ma­nent zur Ver­fü­gung steht und den ich zu jedem Gespräch mit Kiyo dazu hole.

Benö­tigt solch ein Spieler, der neben der Sprach­bar­riere ja auch über einen ganz anderen kul­tu­rellen Back­ground ver­fügt, eine Art Son­der­be­hand­lung?
Es ist schon eine beson­dere Situa­tion. Wir ver­su­chen ihm des­halb manche tak­ti­sche Inhalte schon vor dem Trai­ning zu ver­mit­teln, damit er sich darauf besser ein­stellen kann. Auch unser Feed­back bezie­hungs­weise unsere Spiel­ana­lyse teilen wir ihm gene­rell nicht vor der Mann­schaft mit, son­dern in einem Acht-Augen-Gespräch mit Armin Reu­ters­hahn, dem Dol­met­scher und mir. Aber grund­sätz­lich gibt es im Fuß­ball eigent­lich keine Ver­stän­di­gungs­pro­bleme, gerade bei einem solch spiel­in­tel­li­genten Typen wie Kiyo.

Moti­va­tion ist ein ebenso großes Schlag­wort in der modernen Fuß­ball­lehre. Inwie­weit sehen Sie sich als Trainer in der Pflicht, Ihre Spieler spe­ziell zu moti­vieren?
Die Moti­va­tion ist eben­falls ein großer Bestand­teil unserer Arbeit. Aber ein hohes Maß an Moti­va­tion sollte natür­lich bei jedem Fuß­ball-Profi ohnehin vor­handen sein. Wir Trainer können letzt­end­lich nur eine Hil­fe­stel­lung leisten, der Rest liegt bei jedem ein­zelnen. 

Beim 1.FC Nürn­berg sind es in dieser Saison gerade junge Talente wie Alex­ander Ess­wein, Robert Mak oder Sebas­tian Polter denen ein Pro­blem in Sachen Ein­stel­lung nach­ge­sagt wurde. Warum haben aus­ge­rechnet junge Spieler damit ein Pro­blem?
Junge Spieler sind in dem Sinne ja noch keine Profis. Sie sind erst auf dem Weg dahin. Unsere Auf­gabe ist es des­halb sie auf diesem Weg zu begleiten und ihnen gewisse Dinge zu ver­mit­teln.

Die da wären?
Kon­zen­triert und nie zufrieden zu sein. Auf sich und seinen Körper achten. Man­cher dieser jungen Spieler braucht da schon mal den ein oder anderen Hin­weis und das viel­leicht nicht nur einmal. Man muss aber gleich­zeitig die Mess­latte so hoch legen, dass der Spieler diese Dinge in einem gewissen Zeit­raum begreift und sie umsetzt. 

Jungen Profis bieten sich heut­zu­tage aber auch immer mehr Mög­lich­keiten, um sich vom Fuß­ball abzu­lenken. Stich­wort Smart­phones, Face­book Partys.
Viel­leicht, aber auch ich hätte mich zu meiner aktiven Zeit mit anderen Dingen beschäf­tigen können, wenn ich es gewollt hätte. Es gehört ein­fach dazu, eine gewisse Cha­rak­ter­stärke zu zeigen und zu begreifen was not­wendig ist, um sein Poten­zial am Wochen­ende abzu­rufen zu können. Die grö­ßere Gefahr besteht für mich darin, dass du heute bereits nach einem guten Spiel in den Himmel gelobt wirst. Für junge Men­schen ist es schwerer geworden, sich selbst ein­zu­schätzen. 

Was kann ein Trainer tun, um dieses Abheben zu ver­hin­dern?
Das funk­tio­niert nur über per­ma­nente kon­struk­tive Kritik. Der Trainer muss deut­lich machen, dass es keinen Still­stand gibt und dass es immer noch genü­gend Dinge gibt, die es zu ver­bes­sern gilt.

Ein wenig anders dürfte die Lage bei einem gestan­denen Profi wie Javier Pinola sein. Wie gehen Sie mit der Form­krise eines so erfah­renen Spie­lers um?
Bei ihm hilft eben­falls nur ein ganz ehr­li­ches Feed­back und ein offenes Gespräch. Du musst auch ihm klar machen, was du von ihm erwar­test. Das funk­tio­niert aller­dings nur, wenn ich ein Gefühl dafür ent­wickle, wie der Spieler sich selbst sieht. 

Als aktiver Spieler mussten Sie nach Ihrem Wechsel 1999 vom Club zum FC Bayern schmerz­lich erfahren, wie sich eine Ersatz­bank anfühlt. Inwie­fern hat Ihnen Ihre Erfah­rung als Profi geholfen, ein Gefühl dafür zu ent­wi­ckeln, was in einem Javier Pinola vor­geht?
Meine Zeit bei den Bayern ist defintiv etwas, was mir heute in meinem Trai­ner­beruf zu Gute kommt. Ich kam als Stamm­spieler und musste mich plötz­lich hinten anstellen. Ich habe dann erfahren, wie es sich anfühlt, wenn man mal nicht im Kader ist oder nicht zur Stammelf gehört. Aller­dings darf man auch nicht ver­gessen, dass jeder grund­sätz­lich anders tickt und eine solche Situa­tion anders ver­ar­beitet.

Wel­cher Ihrer Trainer hat Sie wäh­rend Ihrer Profi-Kar­riere am meisten beein­flusst?
Das ist schwer zu sagen. Gerade wenn man lange in Nürn­berg gespielt hat, ist die Erfah­rung in Sachen Trai­ner­wechsel sehr groß… (lacht) Natür­lich gab es hier und da Sachen, die ich als gut oder schlecht emp­funden habe. Dass ich aber kon­kret etwas für mich über­nommen habe, könnte ich nicht sagen.

Wirk­lich nie­mand, der Ihnen beson­ders im Gedächtnis geblieben wäre? 
Ein Ottmar Hitz­feld hatte zum Bei­spiel enorme Qual­ti­täten in der Mann­schafts­füh­rung. Wie er mit gestan­denen Spie­lern, Natio­nal­spie­lern und Stars umge­gangen ist, das war schon beein­dru­ckend.

In Deutsch­land werden Trainer immer gerne in bestimmte Schub­laden gesteckt. Wäh­rend der Feu­er­wehr­mann fast schon als aus­ge­storben gilt, ist neu­er­dings der Kon­zept­trainer das Maß aller Dinge. Was zeichnet Sie als Trainer aus?
Ich sehe mich als Fuß­ball­lehrer. In erster Linie gehört dazu die Arbeit auf dem Platz, die mir am meisten Spaß macht. Ich ver­suche tak­ti­sche Ideen und Stra­te­gien zu ent­wi­ckeln und diese dann mit der Mann­schaft umzu­setzen. Dar­über hinaus muss ich auch Psy­cho­loge sein. Am wich­tigsten ist mir aber dabei, immer authen­tisch zu bleiben. Das zeichnet für mich einen guten Trainer aus.

Sie haben in Ihrer noch kurzen Trai­ner­lauf­bahn mit der Regio­nal­liga, der dritten und zweiten Liga und jetzt der Bun­des­liga schon sämt­liche wich­tigen Spiel­klassen durch­laufen. Ver­sucht sich ein Trainer dem jewei­ligen Fuß­ball in diesen Ligen anzu­passen?
Ich würde eher sagen, dass ich mich den jewei­ligen Mann­schaften anpasse. In Nürn­berg leben wir zum Bei­spiel vom Team­danken und so gehen wir auch als Trainer an die Sache ran. Wir machen uns ein Bild: Wer sind die Leis­tungs­träger? Wer ist im Mann­schaftsrat? Und dem­entspre­chend suchen wir unsere Ansprech­partner.

Nach dem Abgang von Dieter Hecking wurden Sie gemeinsam mit dem vor­he­rigen Co-Trainer Armin Reu­ters­hahn offi­ziell als Dop­pel­spitze vor­ge­stellt. Im Gegen­satz zum Lever­ku­sener Modell besitzen Sie aller­dings die finale Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz. Wie sieht Ihre Zusam­men­ar­beit kon­kret aus?
Wir tau­schen uns per­ma­nent aus und dis­ku­tieren durchaus auch mal kon­tro­vers über ver­schie­dene Dinge. Dazu gehören dann aber nicht nur wir beide, son­dern auch der Rest des Trai­ner­teams. Wir erstellen gemeinsam eine Wochen- und Monats­pla­nung. Wichtig ist dabei für uns beide, dass wir eine gleiche Auf­fas­sung von Fuß­ball haben und auch mensch­lich sehr gut har­mo­nieren. Uns reicht dann auf dem Trai­nings­platz ein Blick oder eine Geste und man weiß, was der andere denkt. Wir müssen uns nicht vorher eine Stunde zusam­men­setzen und alles planen. Wenn es doch mal not­wendig ist, treffe ich die finale Ent­schei­dung. Das war bisher aber noch nicht der Fall.

Wie wichtig war Ihnen diese finale Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz als Sie das Amt über­nommen haben?
Es war für mich per­sön­lich ein sehr wich­tiger Punkt, um schon von vor­ne­herein klar zu stellen, wie wir nach außen und vor der Mann­schaft auf­treten. Ich denke, dass ein Trai­ner­ge­spann nur so funk­tio­nieren kann. Die Spieler müssen wissen, woran sie sind. Wir dürfen ihnen nicht die Mög­lich­keit geben, mal zu einem Trainer zu gehen und wenn es da nicht funk­tio­niert, es bei dem anderen zu ver­su­chen. Diese Har­monie und Ein­heit ist aus meiner Sicht auch der Grund für unseren Erfolg.

Trotz Ihrer Erfolgs­bi­lanz haben Sie bis­lang nur einen Ver­trag bis zum Sommer 2013. Was spricht denn über­haupt noch dagegen, dass Sie auch danach noch Trainer beim 1.FC Nürn­berg sind?
Es ist für uns völlig normal, dass der Verein uns erstmal testen will. Alles wei­tere können wir nur durch unsere täg­liche Arbeit auf dem Platz beein­flussen.

INFO: Das Inter­view ist würde wäh­rend der Län­der­spiel­pause der Deut­schen Natio­nal­mann­schaft gegen Kasach­stan geführt und wurde auch in diesem Zeit­raum bereits online ver­öf­fent­licht.

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